Fermi Altersgleichung
Aus der KontinuitĂ€tsgleichung fĂŒr unendlich ausgedehnte Medien
mit punktförmigen Quellen folgt
[
\begin{align}
\underbrace{\frac{\partial q}{\partial E}(\vec{r}, E)}_{\text{Moderation}} + \underbrace{\text{div} \vec{J}(\vec{r}, E)}_{\text{Ausfluss}} + \underbrace{\Sigma_a(\vec{r}, E) \phi(\vec{r}, E)}_{\text{Absorption}} = \underbrace{S(\vec{r},E)}_{\text{Quellen}}
\end{align}
]
Der Term $\frac{\partial q}{\partial E}$ beschreibt mit Hilfe der
Bremsdichte $q$ (d.h. die Zahl der Neutronen, die unter eine Energie
von E gebremst werden), wie viele Neutronen mit der Energie E abgebremst
werden.
[
\begin{align}
\vec{J}(\vec{r}, E) = -D(E) \text{grad} \phi(\vec{r}, E) \\
q(E) = \int_E^{\frac{E}{\alpha}} \Sigma_s(Eâ) \phi(Eâ) \frac{E - \alpha Eâ}{(1-\alpha)Eâ} \text{d}Eâ \\
\end{align}
]
Bei der ersten Gleichung handelt es sich um das Fickâsche Diffusionsgesetz
(also den Zusammenhang zwischen Neutronenstrom $\vec{J}(\vec{r},E)$ und Neutronenfluss
$\phi(\vec{r}, E)$), bei der zweiten Gleichung um die Bremsdichte $q(E)$,
also die Zahl der Neutronen, die pro Zeiteinheit auf eine Energie unter
die Energie $E$ abgebremst werden. Der Absorptionsterm sowie der Quellterm entstammen
hierbei der ursprĂŒnglichen KontinuitĂ€tsgleichung.
Wird nun noch angenommen, dass der Neutronenfluss einer $\frac{1}{E}$ Verteilung
folgt ($Eâ \phi(Eâ) \approx E \phi(E)$), folgt
[
\begin{align}
Eâ \phi(Eâ) \approx E \phi(E) \\
q(E) = \Sigma_s(E) \phi(\vec{r}, E) E \underbrace{\int_E^{\frac{E}{\alpha}} \frac{E-\alpha Eâ}{(1-\alpha)Eâ^2}}_{1 + \frac{\alpha}{1-\alpha} \text{ln} \alpha = \chi} = \Sigma_s(E) \phi(\vec{r}, E) \chi E \\
\phi(\vec{r}, E) \Sigma_s(E) \chi E = q(\vec{r}, E) \\
\phi(\vec{r}, E) = \frac{q(\vec{r}, E)}{\Sigma_s(E) \chi E}
\end{align}
]
Einsetzen liefert fĂŒr einen monochromatischen Quellterm $S(\vec{r}) \delta(E-E_0)$
[
\begin{align}
\frac{\partial q(\vec{r}, E)}{\partial E} + \Sigma_a(\vec{r}, E) \frac{q(\vec{r}, E)}{\Sigma_s(E) \chi E} - \frac{D(E)}{\Sigma_s(E) \chi E} \vec{\Delta} q(\vec{r}, E) + S(\vec{r}) \delta(E - E_0) = 0
\end{align}
]
Wird nun von einem quellfreien Medium ausgegangen und nur ein Bereich
betrachtet, in dem keine Absorption sondern nur Streuung stattfindet,
wird $S=0$ und $\Sigma_a = 0$, dass heiĂt es gilt die Fermi Altersgleichung
[
\begin{align}
\frac{\partial q}{\partial E} (\vec{r}, E) - \frac{D(E)}{\Sigma_s(E) \chi E} \vec{\Delta} q(\vec{r}, E) = 0 \\
\tau(E) = \int_E^{E_0} \frac{D(Eâ)}{\chi \Sigma_s(Eâ) Eâ} \text{d}Eâ \\
\to \frac{\partial q}{\partial E} = \underbrace{\frac{D(E)}{\Sigma_s(E) \chi E}}_{\frac{\partial \tau}{\partial E}} \vec{\Delta} q(\vec{r}, E) \\
\to \frac{\partial q}{\partial E} = \frac{\partial \tau}{\partial E} \vec{\Delta} q(\vec{r}, E) \\
\to \frac{\partial q}{\partial E} \frac{\partial E}{\partial \tau} = \vec{\Delta} q(\vec{r}, E) \\
\to \frac{\partial q(\vec{r}, \tau)}{\partial \tau} = \Delta q(\vec{r}, \tau)
\end{align}
]
Hierbei wurde die GröĂe $\tau$ eingefĂŒhrt, das so genannte Fermi Alter von
Neutronen. Hierbei handelt es sich wie spÀter gezeigt um den durchschnittlichen
Neutronendiffusionskoeffizienten wÀhrend des Abbremsvorgangs. Wird auch
Absorption berĂŒcksichtigt, muss der Absorptionsterm hinzugefĂŒgt werden:
[
\begin{align}
\frac{\partial q(\vec{r}, \tau)}{\partial \tau} = \Delta q(\vec{r}, \tau) - \frac{\Sigma_a}{\Sigma_a \chi E} \frac{\chi \Sigma_s E}{D} q
\end{align}
]
Zur Lösung der Fermi Altersgleichung wÀhlt man den Seperationsansatz
$q(\vec{r}, \tau) = q_0(\vec{r}, \tau) p(\tau)$. Hierbei ist $q_0(\vec{r}, \tau)$
eine Lösung der homogenen Fermi-Altersgleichung mit $\Sigma_a = 0$. Die
Absorption kann dann als Störung mit $\Sigma_a \ll \Sigma_s$ eingefĂŒhrt
werden. Es ergibt sich
[
\begin{align}
p(E) = \text{e}^{-\int_{E}^{E_0} \frac{\Sigma_a}{\chi \Sigma_s} \frac{\text{d}{Eâ}}{Eâ}}
\end{align}
]
Diese Lösung ist durch die Diffusionsapproximation (das
heiĂt nicht zu Nahe an Quellen, nur bei geringer Flussvariation) sowie
eine geringe EnergieÀnderung pro Stoà beschrÀnkt. $\chi$ ist hierbei wieder
das bereits bekannte mittlere logarithmische Energiedekrement.
Die mittlere Zeit zwischen den StöĂen betrĂ€gt $\frac{\lambda_s}{v} = \frac{1}{\Sigma_s v} = t_s$. Hiermit
ergibt sich bei der Annahme quasikontinuierlicher Streuung (das heiĂt fĂŒr sehr kleine $\chi$)
die mittlere zeitliche logarithmische EnergieÀnderung zu
[
\begin{align}
- \frac{\text{d} \text{ln} E}{\text{d}t} = \frac{\chi}{t_s} = \chi v \Sigma_s \\
- \frac{\text{d} \text{ln} E}{\text{d}t} = \frac{\text{d} \text{ln} E}{\text{d} E} \frac{\text{d}E}{\text{d}t} = -\frac{1}{E} \frac{\text{d}E}{\text{d}t} = \frac{\text{d}u}{\frac{d}t} \\
- \frac{\text{d}E}{E} = \chi \Sigma_s v \text{d}t \\
T = \int_0^t \text{d}t = \int_E^{E_0} \frac{1}{\Sigma_s v \chi} \frac{\text{d} Eââ}{Eâ} \\
\end{align}
]
Zusammen mit $v = \sqrt{\frac{2E}{m}}$ folgt also fĂŒr das chronologisch Neutronenalter, also die
Zeit, die von der Spaltung an bis zur Abbremsung auf die Energie $E$ erforderlich ist
[
\begin{align}
t = \frac{1}{\Sigma_s \chi} \sqrt{2m} \left(\frac{1}{\sqrt{E}} - \frac{1}{\sqrt{E_0}} \right)
\end{align}
]
FĂŒr das Fermialter gilt
[
\begin{align}
\tau = \int_E^{E_0} \frac{D(Eâ)}{\chi \Sigma_s(Eâ)} \frac{\text{d}Eâ}{Eâ} = \int_0^t \underbrace{D(tâ)v(tâ)}_{D_0} \text{d}tâ \\
\bar{D_0} = \frac{1}{t} \int_0^t D_0 \text{d}t \\
\to \tau(E) = \bar{D_0} t
\end{align}
]
Einzelne punktförmige Quelle
Betrachtet man eine einzelne punktförmige Quelle und wÀhlt den Koordinatenursprung $\vec{r}=0$ als
Position der Quelle, ergibt sich ein radialsymmetrisches Problem. Die Fermi-Altersgleichung
kann also in Kugelkoordinaten transformiert werden:
[
\begin{align}
\frac{\partial q(\vec{r}, \tau)}{\partial \tau} = \frac{\partial^2 q(\vec{r}, \tau}{\partial r^2} + \frac{2}{r} \frac{\partial q(\vec{r}, \tau)}{\partial r} - Q(\vec{r}) \delta(\vec{r})
\end{align}
]
Hieraus folgt fĂŒr die Bremsdichte in AbhĂ€ngigkeit vom Fermi-Alter
[
\begin{align}
q(\vec{r}, \tau) = \frac{Q}{(4\pi r)^{\frac{3}{2}}} \text{e}^{\frac{r^2}{4 \tau}}
\end{align}
]
Mit der bekannten Verteilungsfunktion (der Bremsdichte) kann nun der Erwartungswert des
mittleren Verschiebungsquadrats berechnet werden:
[
\begin{align}
\bar{r^2(\tau)} = \frac{\int_0^\infty r^2 \frac{1}{(4 \pi \tau)^\frac{3}{2}} \text{e}^{\frac{r^2}{4\tau}} 4 \pi r^2 \text{d}r^2}{\int_0^\infty \frac{1}{(4 \pi \tau)^\frac{3}{2}} \text{e}^{\frac{r^2}{4\tau}} 4 \pi r^2 \text{d}r^2} \\
= \frac{\int_0^\infty r^2 \text{e}^{\frac{r^2}{4 \tau}} \text{d}r}{\int_0^\infty \text{e}^{\frac{r^2}{r\tau}} \text{d}r} = 6 \tau
\end{align}
]
Das Fermialter ergibt hierbei fĂŒr Punktförmige Quellen $\tau = \frac{1}{6} \bar{r^2}$.
FlÀchen- und gleichverteilte Quellen
Ăndert man die Randbedingungen ergibt sich fĂŒr FlĂ€chenquellen der Zusammenhang $\tau=\frac{1}{2} \bar{r^2}$.
FĂŒr homogen verteilte Quellen ist die Bremsdichte $q(\vec{r}, \tau) = \frac{Q_0}{V}$. Aufgrund
der superponierbaren Lösungen der Altersgleichung lĂ€sst sich ein Quellterm fĂŒr thermische
Neutronen mit berĂŒcksichtigter Absorption definieren:
[
\begin{align}
S_{th}(\vec{r}, \tau) = p(\tau_{th}) q(\vec{r}, \tau_{th})
\end{align}
]
Laut der kritischen Gleichung entstehen $k_\infty = f \eta \epsilon \chi(\tau_0)$
schnelle Neutronen des Alters $\tau_0$. Das heiĂt, dass $f \eta \epsilon = \frac{k_\infty}{p}$.
Es entstehen also $\frac{k_\infty}{p} \Sigma_a \phi(\vec{r}) \chi(\tau_0)$ schnelle
Spaltneutronen des Alters $\tau_0$.
Mit der mittleren Spaltenergie $\bar{E} = \int_{E_th}^{\infty} \tau(E, E_0) \chi(E_0) \text{d}E_0$ kann
das mittlere Entstehungsalter $\bar{\tau_0}$ definiert werden:
[
\begin{align}
\bar{\tau_0} = \int_{E_{th}}^\infty \tau(E, E_0) \chi(E_0) \text{d}E_0
\end{align}
]
Die Bremsdichte der Neutronen ergibt sich hiermit zu
[
\begin{align}
q(\vec{r}, \tau = 0) = \underbrace{\frac{k_\infty}{p} \Sigma_a \phi(\vec{r})}_{\text{Spaltung}} + \underbrace{S(\vec{r})}_{\text{stationÀre Quellen}}
\end{align}
]